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Pratergeschichten

Pratergeschichten

PROJEKT VON Stefanie Hoffmann und Helene Payrhuber

Wenn man im Dezember durch den Wiener Prater spaziert, ist es sehr ruhig. So ruhig, dass man sich fast fürchten könnte vor den bunten Eisenkonstruktionen der stillgelegten Fahrgeschäfte oder den in Plastik gehüllten „Praterfiguren“. Manchmal glaubt man Menschen in der Ferne zu erkennen, meistens sind es keine echten. Gleichwohl ist der Wurstelprater auch im Winter bunt. So bunt, dass man beinahe die Farbspuren am Boden übersehen könnte, die rätselhaft wirken–an diesem Ort zu dieser Zeit.

Folgt man diesen Spuren, gelangt man zu Staubwolken in Gelb, Rosa, Blau oder Rot. Und plötzlich stellt man fest, dass der Vergnügungspark auch im Winter ein Arbeitsplatz sein kann. Nämlich für diejenigen, die damit beschäftigt sind, die Farben von den bunten Laternenmasten abzuschleifen. Und während man sich noch fragt, wofür das gut sein soll, stellt man fest, dass die abgeschliffenen Pfähle bereits viele Farbschichten getragen haben. Vielleicht ist es daher wirklich an der Zeit, diese Schichten abzutragen und die Masten einheitlich in Militärgrün zu streichen. Die Spuren führen demnach zu den frisch gestrichenen Straßenlaternen. Dort stehend, hebt man den Blick und stellt sich eine Attraktion vor, die hier zu einer anderen Zeit vielleicht stattfinden könnte. Und es wird wieder ein bisschen bunter…Die von uns imaginierten Attraktionen werden auf Post-its festgehalten und an die stillgelegten Orte geklebt. Kommt ein Mensch vorbei und liest was geschrieben steht, dann fährt er in seinem Kopf vielleicht ein bisschen Karussell:

Eine Touristin bestellt eine Stelze mit Kraut um 13,50 EUR. Der Ferial-Praktikant von der Gelateria Ponticella schaut auf die Uhr und freut sich, dass er nur mehr eine Stunde arbeiten muss. Hier stampft ein bitzelndes Kind mit dem Fuß auf. Hier ist eine lange ungeduldige Warteschlange. Eine Gruppe junger Menschen unterhält sich darüber, dass sie noch nie den Film „Wilde Maus“ gesehen haben. Hier jagen sich zwei Autos hin und her. Hier wird die zweite Runde angekündigt. Hier huscht ein Eichhörnchen den Baum hinauf. Eine Taube macht sich an die Pommes-reste heran, die am Boden verstreut liegen. Jemand überklebt die Anzeige des „Combo-Boxers“ mit einem Zettel auf dem „Zurzeit außer Betrieb“ geschrieben steht.
RÄTSELHAFTE EREIGNISSE IM WIENER WURSTELPRATER

Der Wiener Wurstelprater wirkt wie ausgestorben, ähnlich einer Geisterstadt – aufgrund der Corona-Situation, oder bezeichnend für den Winter? Alle Attraktionen stehen still – Ruhe – es passiert nichts. Die Attraktionen wirken wie erstarrte Objekte. Man beginnt automatisch nach einer anders gearteten Attraktion zu suchen. Man sucht nach Bewegung, nach Unterhaltung …

Nach mehrmaligem Vorbeigehen fallen uns plötzlich bunte Farbflecken auf dem Boden auf, die anders sind als jene auf den restlichen Wegen im Prater. Vereinzelt führen Fußspuren weg vom Ort des Geschehens. In unseren Köpfen entsteht ein Rätsel – eine Unterhaltung? Wir schaffen uns unsere eigene Attraktion im Prater und versuchen, das Rätsel der Farbflecken zu lösen.

Entdeckung: Es sind Farbspäne und keine Farbflecken!

Die Farbe kommt von den Straßenlaternen: Nur noch der halbe Pfahl ist angemalt, die untere Hälfte wurde abgeschliffen. Warum wird die Farbe entfernt? Wir überlegen, stellen Theorien auf, fragen Passanten und Prater-Mitarbeiter, bis wir schließlich die Maler in Aktion sehen.

Die Lösung des Rätsels: Die Laternen werden frisch gestrichen und einheitlich mit einer anderen Farbe bemalt. Dazu wird zunächst die alte Farbe abgeschliffen und der Pfahl danach grundiert.

Warum werden die Laternen neu bemalt? Zuvor waren sie bunt wie der Rest des Praters – waren sie zu bunt, zu ablenkend, oder war es einfach nur zu viel Arbeit, sie in verschiedenen Farben neu anzustreichen?